Es ist ja schon interessant, dass der Ozean in der letzten Nacht noch einmal gezeigt hat, wie es öfters hätte sein können. Eine Yacht auf Kollisionskurs, Squalls von über 40 Knoten, … So muss man festhalten, dass diese Überfahrt eigentlich sehr angenehm verlief. Sogar Flauten blieben uns erspart, so dass wir sehr gut unterwegs waren. Statt der veranschlagten 21 Tage sind wir nur 19 unterwegs gewesen, mit einem Rekord-Etmal von 181 Seemeilen etwa auf der Hälfte der Strecke.
Schade, dass es heute etwas wolkig (oder eher neblig-diesig) ist. Die Sichtweite ist daher nicht durch die Erdkrümmung festgelegt, sondern durch die Wolken. Dennoch heißt es irgendwann am frühen Vormittag „Land in Sicht“. Aber es ist nicht so, wie wir es uns vielleicht im Vorfeld vorgestellt haben, wie in Ridley Scott’s Film „1492“. Sondern eher ruhig. Ich kann mich jetzt gar nicht mehr erinnern, wer die Insel Marie-Galante, die zu Guadeloupe gehört und unser heutiges Tagesziel ist, zuerst erspäht hat. Aber dennoch stellt sich bald darauf ein Gefühl der Genugtuung und Zufriedenheit ein. Wir haben es geschafft!
Aber das ist nicht das einzige Gefühl. Winde um die 20 Knoten und hin und wieder ein Regenschauer machen die letzten Seemeilen auch seglerisch noch interessant. Darüberhinaus wissen wir auch, dass nun bald das Ende einer wunderbaren Zeit gekommen ist. Hier kommt mir ein Zitat der Profi-Seglerin Nikki Henderson in den Sinn, die gerade vor ein paar Wochen relative Berühmtheit erlangte, als sie mit Greta Thunberg auf dem Katamaran „La Vagabonde“ den Nordatlantik in umgekehrter Richtung überquerte: „The best thing about being on a boat is that you’re so purpose-driven. Every day you wake up, if you do your watch, if you eat, if you sleep, you have been successful in your mission.“ Das wird nun vorbei sein. Ab morgen werden wir uns wieder mit den profanen Dingen des täglichen Lebens auseinandersetzen müssen.
Relaxen vor Marie-Galante
Aber noch ist es nicht soweit. Daher machen wir auch erstmal einen kleinen Umweg nach Süden, bevor wir morgen unseren Zielort Pointe-á-Pitre auf Grand-Terre anlaufen werden. Marie-Galante ist unser Ziel, eine zu Guadeloupe gehörige Insel mit 15 Kilometern Durchmesser. Wir umsegeln das nördliche Ende der Insel und steuern dann auf Saint-Louis zu, den Hauptort an der windgeschützten Westküste.
Dort liegen schon einige andere Yachten unterschiedlichster Größe vor Anker. Wir gesellen uns dazu und werfen das erste (und letzte) Mal in knapp sechs Wochen unseren Anker aus. Und nach dem Ausbringen einer Sicherheitsleine mit einem Fender dran (wegen der leichten Strömung) gibt es kein Halten mehr: die ersten Biere werden aufgerissen, und nahezu die gesamte Crew springt ins warme Karibik-Wasser.
Das ist etwas, was auf so einer Überführung naturgemäß fehlt, der direkte Kontakt mit dem Wasser um einen herum. Ich hatte mich so auf halber Strecke mal – natürlich gesichert – auf die Hecktreppe der Ketoupa gesetzt und die Beine ins Wasser gehalten, aber wirklich schwimmen und entspannen ist etwas anderes. Ich war ehrlich gesagt überrascht, welche Kräfte selbst bei nur 6 oder 8 Knoten Fahrt in der Strömung wirken. Es soll ja auf solchen Fahrten immer mal wieder Überlegungen geben, sich angeleint ein paar Minuten hinter der im Passat fahrenden Yacht hinterherziehen zu lassen. Nur hätte man bei der Strömung, wie ich sie an den Beinen gefühlt habe, schon Probleme, den Kopf über Wasser zu halten. Ganz zu schweigen davon, dass man ja irgendwann auch wieder an Bord gezogen werden müsste. Zum Glück kam in unserer Crew niemand auf so eine Schnapsidee.
Besuch an Land
Nach einigen entspannten Stunden lassen wir das Dinghi zu Wasser, und Marc, Roland und ich beschließen, dem Eiland einen Besuch abzustatten. Da wir in einigem Abstand zur Küste ankern, fahren wir mit Motor bis an den Strand, wo wir das Dinghi auf den Sand ziehen und uns auf einen kleinen Dorfrundgang in Saint-Louis begeben. Wir hatten erwartet, dass nach drei Wochen auf See das Land schwanken und wir ein wenig torkeln würden, aber dem ist glücklicherweise nicht so. Wir kehren in einer einigermaßen angenehm aussehenden Strandkneipe ein und genießen unsere ersten karibischen Biere. Prost!
Zur Karibik muss man sagen, dass es sich – trotz der Traumstrände und des ewigen Sommers – doch um eine relativ arme Gegend der Welt handelt. Im Hinterkopf haben wir daher auch ständig irgendwie die Sicherheit unseres Beiboots, oder allgemein auch die Sicherheit an Bord. Es soll schon Yachten gegeben haben, die ausgeraubt wurden, während sich die Crew ein Abendessen in einem gemütlichen Strandrestaurant einverleibte. Nun ist Saint-Louis mit knapp 2500 Einwohnern eher klein, und wie überall ist die Kriminalität umso größer, je größer die Einwohnerzahl der entsprechenden Gemeinde ist. Ich denke, die Leute, die hier wohnen, wissen auch ein wenig, was sie an den Yachttouristen haben, und würden eine schlechte Publicity lieber vermeiden. Aber die Kriminalität in armen Ländern ist halt schon etwas, woran man hin und wieder denken sollten. Da nützt es auch nichts, dass Guadeloupe mit Marie-Galante rein rechtlich ein französisches Übersee-Departement ist und damit zur EU gehört.
Unserem Dinghi passiert erwartungsgemäß nichts, aber als wir abends nochmal zum Abendessen auf die Insel zurückkehren, parken wir es lieber direkt am Strand vor dem Restaurant „Chez Henri“, in dem wir einkehren. Ferner bleibt Peter mal wieder an Bord der Ketoupa, so dass auch diese sicher ist.
Punsch oder Planteur?
Weniger sicher ist dagegen Marc, der einen Rum-Punsch trinken will. Wir stellen uns darunter ein fruchtiges Mischgetränk vor. Weit gefehlt. Der Punsch ist hier im Prinzip nichts weiter als Rum pur, mit ein paar Limetten und Zucker drin. Die anderen greifen dann lieber zum „Planteur“, denn das ist der leckere, fruchtige Cocktail, den man gedanklich mit der Karibik verbindet. Dazu gibt es ein genauso leckeres Abendessen. Wir genießen diesen Moment in der Karibik so, wie es sein soll: Restaurant direkt am Strand, dazu die stilvolle Anfahrt quasi direkt an den Tisch mit dem eigenen Boot. So muss das sein.
Auf dem Rückweg machen wir einen extra großen Bogen um den Pier, auf dem ein paar Dutzend Angler sich den Abend vertreiben. Aber trotz dieses Bogens gabeln wir eine der Angelleinen mit unserem Außenbord-Motor auf. Zum Glück bekommt einer das Missgeschick mit, und nach einer kleinen Leinen-Entwirrungspause sind die Angler wieder happy und wir können unsere Rückfahrt zur Ketoupa fortsetzen.
Nach einem weiteren Drink an Bord gehen wir heute das erste Mal seit langem schlafen, ohne irgendwann zu einer Wache raus zu müssen. Hat auch was Gutes.
Die letzte Etappe
Am nächsten Morgen ist es dann endgültig soweit. Wir ziehen den Anker ein und machen uns auf den Weg nach Point-á-Pitre, dem Endpunkt unserer Reise. Gechartert haben wir die Yacht für sechs Wochen, und theoretisch fehlen noch zwei Tage. Dennoch fahren wir heute schon in die Marina, da wir die Übergabe und den Auszug von Bord ohne Stress gestalten wollen. Und zwei Tage ist nun auch zu wenig, um nochmal nach Dominica (oder sonstwohin) zu segeln und die Zeit dort auch genießen zu können.
Nach einem obligatorischen Crewfoto in der Karibik, das im direkten Vergleich mit dem aus Lanzarote so aussieht, als hätten wir ein bißchen Sonne abbekommen, heißt es Kurs Nord. Hierbei bekommen wir es nochmal mit guten Wellen zu tun, die der Wind in die Bucht zwischen Basse-Terre und Grande-Terre treibt, sowie einem regen Schiffsverkehr. Eine Extrarunde müssen wir in der Marina auch noch drehen, da der Tanksteg im Moment unserer Ankunft belegt ist.
Nach dem Füllen der Dieseltanks geht es direkt weiter in den Bereich der Marina, in dem Dream Yacht Charter zu Hause ist. Unsere Ketoupa bekommt seinen endgültigen Liegeplatz. Zwar werden wir noch zwei weitere Tage (bis Freitag, den 20. Dezember) an Bord bleiben, aber gleichzeitig werden am Boot die diversen Schäden repariert und das Boot für den Charterbetrieb fertiggemacht. Das gemütliche Bordleben geht damit also seinem Ende entgegen. Mit Markus verläßt auch schon der erste das Schiff, da er hier von seiner Familie erwartet wird, mit der er noch einige Tage Urlaub dranhängen wird.
Zum Abschluß gibt es jedoch noch eine kleine Zeremonie, in der wir Peter danken, der uns sicher über den Atlantik gebracht hat. Günter, der offenbar nicht nur kochen, sondern auch malen kann, hat eine Zeichnung angefertigt, die das Bordleben gekonnt in einem Bild zusammenfasst. Diese überreichen wir unserem Skipper, in der Hoffnung, dass sie bei ihm zu Hause einen würdigen Platz erhält. Damit ist das Projekt „Transatlantik 2019“ nun wirklich zu Ende.
Aber ein paar Tage Karibik bleiben uns noch…