Marina Rubicón. Als Julius Caesar am 10. Januar des Jahres 49 v. Chr. mit seinen Truppen den Fluss Rubikon im östlichen Italien überschritt, kam das einer Kriegserklärung an den römischen Senat gleich, und von diesem Punkt an gab es kein Zurück für den späteren Herrscher. So wie es für uns auch kein Zurück mehr auf unserem Transatlantiktörn geben wird, sobald wir diese Marina verlassen haben.
Großputz und Bunkern
Aber so weit sind wir noch nicht. Nachdem Jan erneut von Bord gegangen ist, darf ich wieder in die wohl komfortabelste aller Kabinen umziehen. Nun sind wir wieder zu sechst, und auf uns wartet eine Menge Arbeit. Wir machen Großputz auf dem Boot, sowohl auf als auch unter Deck. Die gesamte technische und seemännische Einrichtung wird überprüft, die Tanks gefüllt, und kleinere Reparaturen durchgeführt. Einige waschen Wäsche oder kümmern sich noch um kleinere persönliche Besorgungen.
Das Wichtigste kommt aber noch: die Verproviantierung. Die genaue Dauer der Überfahrt kann natürlich keiner vorhersagen, wir rechnen mal mit drei Wochen, plus eine Woche Reserve bei eventueller Flaute. Uns ist allen klar, dass die Stimmung im Eimer wäre (ganz abgesehen von der reellen Gefahr des Verdurstens), wenn es mehrere Tage vor Ankunft kein Wasser und keine Kohlenhydrate mehr an Bord gäbe. Also werden nach einer Inventur der Vorräte die Einkaufslisten überarbeitet, und dann geht es mit dem Mietwagen los.
In Playa Blanca, dem einzigen Ort in der Nähe der Marina, gibt es zum Glück einige Supermärkte. Wobei „Ort“ vielleicht auch nicht der richtige Begriff ist. Irgendwie wirkt hier, am Südende der vermutlich unattraktivsten Kanaren-Insel, alles künstlich. Die Strassen und Wohnanlagen ähneln denen im US-amerikanischen Südwesten, weitläufig und charakterlos. Das Einzige, was diesem Ort Leben einhaucht, ist der Tourismus, wohl vor allem von Mittel- und Nordeuropäern, die dem heimischen Winter entfliehen wollen.
So kommt es auch, dass wir den Großteil der Einkäufe in einem auf die Gastronomie zugeschnittenen Großverbraucher-Markt erledigen. Hier gibt es nichts Besonderes, aber das meiste Notwendige im Überfluss und auch nocht recht günstig. Was nichts daran ändert, dass hier erneut ein vierstelliger Geldbetrag den Besitzer wechselt.
Zur Logistik gehört aber neben dem Einkaufen das vermutlich genauso wichtige Verstauen der Vorräte. Bei einer dreiwöchigen Überfahrt muss man schonmal schauen, dass zum Beispiel Mehl oder Tomaten trocken bleiben. Hier kommt dann Peter wieder zu seinem Einsatz, der – auch aufgrund seiner Erfahrung – die besten Ideen hat, wo am besten was untergebracht wird. Es macht ja auch keinen Sinn, wenn man schon zum Frühstück durch das ganze Boot laufen müsste, nur weil alles irgendwie ungünstig überall verteilt ist.
Neben den Wasservorräten für einen eventuellen Ausfall des Wassermachers bunkern wir auch noch 100 Liter Extra-Diesel in vier zu diesem Zweck angeschafften Kanistern. Die Meinungen, ob das nötig ist, gehen in der Crew auseinander. Letztendlich gehen wir aber lieber auf Nummer Sicher, da die Kosten der Kanister ja auf die Crew verteilt werden, also für den Einzelnen nicht so ins Gewicht fallen. Und den Diesel werden wir so oder so am Ende des Törns in die Tanks schütten, da wir die Ketoupa am Zielort vollgetankt abgeben müssen.
Henkersmahlzeit
Irgendwie hatte ich die etwas naive Vorstellung, dass zum Beispiel hier auf Lanzarote fast ausschließlich Yachten und Crews zugegen sind, die sich auf die kurz bevorstehende Transatlantiküberquerung vorbereiten. Aber dem ist ganz und gar nicht so. Mag sein, dass diverse Transatlantiksegler schon weg sind, da wir, wie bereits erwähnt, eher spät dran sind in der Saison. Aber tatsächlich ist die Marina voll von Seglern, die überhaupt nicht an den Sprung über den großen Teich denken. Sondern die vielmehr einfach nur um die Kanaren herum segeln. So ernten wir als angehende Transatlantiker Respekt bis Bewunderung. Wir sind hier nicht der Normalfall, sondern die Ausnahme. Und das auch noch in der Marina mit diesem Namen.
Nun hatte ich oben schon erwähnt, dass alles hier ein wenig künstlich wirkt. Und vieles es auch ist. Aber deswegen ist es nicht unbedingt hässlich, wenn auch Geschmackssache. Die Marina erinnert an eine südeuropäische Strandpromenade, mit Restaurants, Pubs, und ein paar Andenkengeschäften. Dazu der typische Boatie-Bedarf: Taue, Segelmacher, Außenbordmotoren etcetera. Nun sind wir gestern schon in einem netten Restaurant mit Blick auf die Marina essen gewesen, und haben uns anschließend noch in der „The Flagship“ Bar einige Biere (Günter auch Whiskeys) gegönnt.
Heute wird dagegen an Bord gekocht, und nur ein Teil der Crew zieht es danach erneut in eben diese Bar. Ich mache dagegen einen kleinen Marina-Rundgang, lasse die Gedanken schweifen, und freue mich auf das Abenteuer, das vor uns liegt.
Ablegen
Am nächsten Morgen, wir schreiben den 29. November, ist es dann soweit. Natürlich gibt es erneut einige Verzögerungen, unter anderem muss ich im Büro der Marina eine knappe halbe Stunde warten, um ausklarieren zu können. Aber als ich dann an Bord bin, ist im Prinzip alles bereit zum Ablegen. Ein letztes Mal haben wir frisches Brot besorgt (auf dem Atlantik wird selbst gebacken), der Mietwagen ist zurückgebracht, und unsere Ketoupa ist startklar.
Es werden diverse Crewfotos geschossen, natürlich in unseren extra für diesen Törn angefertigten Shirts. Wir unterhalten uns ein letztes Mal mit den Stegnachbarn, die uns noch beim Auslaufen hinterherwinken und eine gute Fahrt wünschen. Um kurz nach zehn verlassen wir, bei herrlichstem Sonnenschein und 22 Knoten Wind aus Ostsüdost, den letzten Hafen diesseits des Atlantiks, vor drei Wochen hoher See.
Mit Großsegel und Genua im 1. Reff geht es bald darauf geradewegs Richtung Südwesten. Der Plan ist jetzt, in die Nähe der Kapverden zu kommen, und dort den Nordostpassat zu erwischen, der uns vor dem Wind über den Atlantik schiebt. Ein paar letzte Fotos der zurückbleibenden Kanareninsel werden geschossen, und dann geht der Blick nach vorne.
Nein, jetzt gibt es wirklich kein Zurück mehr. Das Abenteuer „Transatlantik“ geht in seine entscheidende Phase.