Es gibt einige Städte an der Westküste der iberischen Halbinsel, die dem angehenden Transatlantiksegler ein Begriff sind. Sofern er sich vorher mit den Publikationen anderer Transatlantiksegler auseinandergesetzt hat. A Coruña an der Nordwestecke Spaniens ist so eine Stadt, aber auch von Vigo, Porto, Lissabon oder Faro (alle in Portugal) hat man schon des öfteren gehört oder gelesen. Wir sind nach knapp drei Tagen auf See nicht in dem (touristisch wohl interessanteren) Lissabon eingelaufen, sondern in dem etwa 25 Kilometer westlich gelegenen Cascais, das für auf dem Boot Durchreisende nunmal günstiger liegt, und darüberhinaus eigentlich auch ganz nett ist.
Nun ist der Besuch hier, ungeachtet prinzipiell möglicher Landgänge in einer oder mehrerer der oben genannten Städte, vor allem unseren Problemen auf der ersten Biskaya-Etappe und den darauf folgenden vier Tagen Zeitverzug in der Marina in Santander zu verdanken. Auf diesem Überführungstörn ist man halt nicht mit Weltumseglern unterwegs, die praktisch unbegrenzt Zeit und damit die Möglichkeit haben, überall ein paar Hafentage inklusive touristischer Besichtigungen einzuplanen.
Wir sind also spät dran, was dazu führt, das keines der drei Crewmitglieder, die nur für den ersten Teil (der bis Funchal auf Madeira gehen sollte) angeheuert haben, Zeit genug hat, um wirklich bis Funchal an Bord zu bleiben. Daher haben wir die neuen Crewmitglieder (welche ursprünglich in Funchal zusteigen sollten) gebeten, nach Cascais zu kommen. Marc und Markus waren bereits zwei Wochen auf Madeira wandern, während Roland seinen geplanten Flug nun nach Lissabon umgebucht hat.
Ein sonniger Hafentag
Der heutige Tag – wir schreiben Donnerstag, den 21.11.2019 – beginnt jedoch eher träge. Nach den letzte Nacht zur allgemeinen Krisenbewältigung einverleibten Alkoholika ist Urs schon sehr früh von Bord gegangen, während der Rest der Crew mit einem ziemlichen Brummschädel gegen elf Uhr vormittags zunächst den endgültigen Liegeplatz in der Marina ansteuert. Dann geht es erst einmal ans normale Hafenprogramm: Wäsche waschen, Salon und Cockpit aufräumen, Inventur machen, Schäden begutachten, Blog schreiben, und so weiter. Als die drei Neuen am frühen Nachmittag ankommen, ist die Stimmung aufgrund des bisher alles andere als optimal verlaufenden Törns immer noch gedrückt, so dass die drei sich unwillkürlich fragen, ob es jetzt gut oder schlecht war, erst zu diesem Zeitpunkt zur Crew hinzuzustoßen…
Im Laufe der Stunden bessert sich die Stimmung jedoch, was vermutlich auch an dem endlich mal angenehmen Wetter liegt. Ich packe das erste Mal eine kurze Hose aus und gehe ein wenig in der Marina spazieren. Auch die Tatsache, dass Jan – unser eigentlicher Skipper – ab morgen bis zu den Kanaren wieder dabei sein wird, trägt zur Stimmungsaufhellung bei, da es einiges an Verantwortung von den Schultern der anderen nimmt. Als wir abends in der Hafenpizzeria gemeinsam essen gehen, sind wir wieder guter Dinge und freuen uns auf die gemeinsame Atlantik-Überquerung.
Verproviantierung extrem
Am nächsten Tag kommt die wohl verantwortungsvollste Aufgabe auf einen Teil der Crew zu: die Verproviantierung. Ich drücke mich dieses Mal erfolgreich mit dem Argument, als einziger der Besatzung Portugiesisch zu sprechen und auf einen Techniker zur Begutachtung des Wassermachers zu warten. Dass der Techniker erst am späten Nachmittag kommt und ich dann auch noch Englisch mit ihm spreche, ist eine andere Geschichte…
Aber unsere drei Neuen sind genau das richtige Team für diese Aufgabe. So entscheiden sie sich, direkt im Supermarkt eine ihnen unbekannte Biermarke zu verkosten, bevor sie sich zum Kauf von dreizehn Paletten derselben entscheiden. Und irgendwie macht es ja auch Spaß, ein halbes Dutzend Einkaufswagen bis zum Rand zu füllen, wenn man weiß, das das Geld für den Einkauf (deutlich über 1000 Euro) letztendlich aus der Bordkasse und nicht aus dem eigenen Geldbeutel kommen wird.
Ich schaue mit derweil Cascais an und finde es dabei wirklich ein bisschen schade, nicht mehr Zeit für Landgänge zu haben. Aber wie sagt man immer so schön? Man kann nicht alles haben. Zumindest nicht immer alles in einem. Dennoch mache ich einen ganz guten Rundgang durch die Stadt, von der Festung am Hafen über die Innenstadt mir ihren Restaurants bis hin zum Leuchtturm und wieder zurück, und komme rechtzeitig in der Marina an, um beim Verstauen der zeitgleich mit zwei Taxis ankommenden Einkäufe zu helfen.
Die Motivation kommt zurück
Kurz danach kommt auch Jan in der Marina an, und alle Crewmitglieder – alt und neu – lernen sich bei ein paar Bieren schonmal ein bisschen besser kennen. Ich schaue mir derweil zusammen mit dem ebenfalls an Bord erschienenen Techniker an, was mit unserem Parker Wassermacher nicht stimmt. Der Gute erklärt mir die verschiedene Menüs und Funktionen am Gerät (welche deutlich umfangreicher sind als die am Kontrollpanel im Salon). Letztendlich stellt sich heraus, dass die korrekte Inbetriebnahme noch nicht abgeschlossen wurde, da dies in dem trüben Flusswasser der Garonne in Bordeaux nicht möglich war. Also machen wir das hier vor Ort. Ich werde instruiert, was bei zukünftigen Problemen zu tun ist, und damit ist dann auch eine unserer größten Sorgen für die Atlantiküberquerung erstmal vom Tisch. Dementsprechend entspannt geselle ich mich im Anschluss zum Rest der Crew im Cockpit und lasse mir die erste Dose des „Superbock“ Bieres schmecken – welches allerdings kein Bockbier, sondern ein gut trinkbares Lager ist.
Am Abend geht es dann mit der gesamten Crew – diesmal ist auch Peter mit dabei – in ein nettes Restaurant in der Innenstadt von Cascais. Beim gemeinsamen Abendessen werden Geschichten aus etlichen Jahren Seglerleben ausgetauscht, und die Vorfreude auf die nächste Etappe unseres Törns steigt. Morgen soll es losgehen Richtung Kanaren.