Nach etwas über zwei Wochen in Zihuatanejo habe ich mich so langsam eingelebt. Dank meiner Spanisch-Kenntnisse sind zumindest die Dinge des täglichen Lebens kein großes Problem. Und auch, wenn man Einheimische zur Kultur oder anderen Eigenheiten befragen will, macht man das natürlich am besten in deren Muttersprache.
Mitunter werde ich daran erinnert, dass meine Wahlheimat Chile in der Tat das „modernste“ Land Lateinamerikas ist. In Maude’s Wohngegend gibt es über vier Tage lang kein Wasser aus der Leitung, und das ist hier dermaßen normal, dass es einfach akzeptiert wird. Nicht nur in Europa, sondern auch in Chile wäre das undenkbar, das Problem wäre sofort in der Zeitung und im Fernsehen thematisiert. Hier dagegen müssen die Menschen sich selbst helfen, und auch die Frage, wann es denn wieder Wasser gibt, bleibt unbeantwortet. Wir schaffen das kostbare Nass in mehreren 5-Liter-Kanistern aus dem Tauchzentrum zu Maude nach Hause, was zumindest ein wenig Erleichterung bringt.
Sand oder Salz?
Da man sich aber mit diesen Kanistern nicht wirklich duschen kann, ist man bei Aufenthalten am Strand dennoch vor die Frage gestellt: Gehe ich mit am Körper klebenden Sandkörnern nach Hause? Oder wasche ich sie im Meer ab und habe dann die Salzkruste an mir? Keines von beiden ist besonders angenehm, wenn man es abends mit ins Bett nimmt. Also wird ein bisschen improvisiert. Und das nicht nur in der Dusche, sondern auch auf Toilette oder beim Geschirrspülen. Laßt mal die dreckingen Teller bei 32 Grad drei Tage stehen, ihre werdet staunen, was sich da für eine Fauna entwickelt.
Da sonntags der Tauchladen zu ist, werden die Sonntage hier zu meinen „offiziellen“ Tourismus-Tagen. Oder ich sage mal lieber „sonstige Aktivitäten“. Die Müllsammelaktion im Hochwasserkanal von Zihua muss man nun nicht unbedingt unter Tourismus einordnen. Den Besuch an einigen heißen Quellen dagegen schon. Etwa 30 Kilometer nördlich von Zihuatanejo, am Abzweig nach Lagunillas, liegen diese Quellen auf Privatbesitz, aber für 50 Pesos kann man es sich hier in einem heißen und einem warmen Naturpool gut gehen lassen. Zum Abkühlen geht es in einen Kaltwassertümpel, wo sich die vorhandenen, ein bis zwei Zentimeter großen Fische um das Peeling kümmern.
Ixtapa – Hotels und Strände
Letzte Woche hatte ich die „Touristenstadt“ Ixtapa bereits erwähnt, ohne sie selbst gesehen zu haben. Das hole ich heute nach. Zwischen Zihua und Ixtapa verkehren (unter anderem) Minibusse, die Platz für etwa zehn Passagiere bieten und mit einem Fahrpreis von umgerechnet 60 Cent sicher die preiswerteste Transportmöglichkeit darstellen. Ich fahre mit einem davon durch bis zur Marina in Ixtapa, am nordwestlichen Ende des Boulevard Paseo Ixtapa gelegen. Marinas haben – für mich – immer so eine Weltumsegler-Atmosphäre, auch wenn hier weniger Segel- als Motoryachten liegen. Interessant ist auch die Warnung vor den Krokodilen. Wer von den Skippern sein Unterwasserschiff schrubben will, sollte das also möglichst woanders machen.
Von der Marina spaziere ich in südöstlicher Richtung den Boulevard entlang. Es bestätigt sich, dass der knapp drei Kilometer lange Strand „El Palmar“ fest in der Hand der Hotelburgen ist. Ich bin eine ganze Zeit unterwegs, bevor ich einen öffentlichen Zugang finde. Aber der Strand ist wirklich gut, ziemlich breit und jetzt in der Nebensaison noch nicht mal übermäßig voll. Die Mexikaner haben sowieso eine für uns ungewohnte Art, den Strandaufenthalt zu genießen. Während man anderswo vor allem in der Sonne liegt und hin und wieder schwimmen geht, hält sich der Mexikaner im Schatten auf. Meist auf gemieteten (oder vom Hotel gestellten) Liegestühlen, mit irgendeiner Volksbelustigung im Hintergrund. Und wenn er ins Wasser geht, macht er (oder sie) das sehr oft im T-Shirt, und die Hauptbeschäftigung ist es dann, einfach im Wasser zu sitzen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Dieses „im Shirt schwimmen gehen“ ist wirklich extrem auffällig, wohl die Hälfte der Badenden hat mehr an als Badekleidung. Man hat ein bisschen das Gefühl, dass der typische Mexikaner seinen Körper nicht zeigen will, wohl weil er (oder – auch hier wieder – sie) sich ein bisschen für seinen Körper schämt. Nun ist es in der Tat so, dass hier viele übergewichtig sind. Aber wie entspannt sind da im direkten Vergleich doch die Brasilianer, wo viele Männer, egal wie groß der Bauch ist, in enganliegenden Badehosen Typ Speedo ins Wasser gehen. Ganz zu schweigen von den Frauen mit ihren scherzhaft Zahnseide genannten Bikini-Unterteilen.
Es fehlen die Gringos
Im weiteren Verlauf des Tages spaziere ich auch ein wenig durch die Stadt selbst, und sie erinnert mit ihren breiten palmengesäumten Straßen mehr an einen Vorort von Miami als an eine mexikanische Stadt. Touristen, vor allem US-amerikanische, sollen sich hier wohlfühlen. Dank der wachsenden Präsenz der Drogenkartelle seit Beginn des Jahrtausends klappt das aber mittlerweile mehr schlecht als recht. Viele Geschäftsräume stehen leer und sind zu vermieten. Appartmentanlagen sind nur halb fertig gebaut worden und werden mittlerweile wieder von der Natur zurückerobert.
Dies bestätigen mir Roberto und Julio, die zusammen mit einem weiteren Kollegen aus dem „Bay View Grand Hotel“ am hellichten Sonntag nachmittag am Rande eines Platzes in der Innenstadt stehen und mich zu einem Dosenbier einladen. In Anbetracht der bereits vor ihnen in einer Mülltüte gesammelten leeren Bierdosen kommt es zu einer ganz brauchbaren Unterhaltung. Seit es vor etwa fünfzehn Jahren mit dem Tourismus langsam bergab ging, ist es schwerer geworden, in Ixtapa zu leben. Sie kommen noch, die US-Amerikaner und Kanadier, allerdings sind es mittlerweile vor allem Mexikaner aus der Hauptstadt, die es zum Urlaub nach Ixtapa treibt. Und bei denen, so Roberto, sitzt das Geld nicht so locker. Man arrangiert sich irgendwie, klar. Frankreich würde er gerne mal kennenlernen, aber bei seinem Einkommen wird das wohl für immer ein Wunsch bleiben.
Und der Divemaster?
Wie bereits erwähnt, sind die Monate Mai und Juni hier Nebensaison. Dementsprechend ruhig geht es zur Zeit im Tauchladen zu. Und Dive Zihua ist sowieso schon ein Eine-Frau-Betrieb. Das gab mir zwar die vergangenen beiden Wochen mehr Zeit zum Selbststudium des Materials, aber natürlich auch weniger Möglichkeiten zur praktischen Anwendung. Es ist schon abzusehen, dass ich den ein oder anderen Workshop (etwa das Beaufsichtigen von Open Water Diver Kursteilnehmern) als Simulation machen muss, mit Statisten aus anderen Tauchzentren hier und nicht mit Tauchschülern. Im Großen und Ganzen verbringe ich also deutlich weniger Zeit im Tauchladen oder beim Tauchen selbst als ich es mir im Vorfeld ausgemalt hatte.
Aber dafür gibt mir Maude bei jedem Tauchgang mit Kunden die Möglichkeit, das Erlernte anzuwenden. Oder, anders ausgedrückt, wir nehmen alle sich bietenden Möglichkeiten wahr, sie als ein Training für mich zu gestalten. Und dabei werde ich mitunter beinahe sprichwörtlich „ins kalte Wasser geworfen“. Etwa wenn ich mit den Schülern des „Discover Scuba Diving“ Programms die Übungen durchführe oder den Tauchgang leite. Natürlich immer unter den wachsamen Augen von Maude. Aber sie vertraut mir, weiß, dass ich das Zeug zum Tauchlehrer habe. Ich hoffe, dass wir im Laufe der kommenden Woche einen Großteil des Kursinhaltes hinter uns bringen können. Dann hätten wir in der letzten Woche meines Aufenthaltes noch ein bisschen Luft für ein paar Tauchgänge just for fun.