Die Franzosen feiern! Und wie! Die Tour de France ist schon in vollem Gange, kommende Woche geht es in die Alpen, aber heute steht noch der Fußball im Vordergrund. Soeben haben „Les Bleus“ das Endspiel der Weltmeisterschaft gegen Kroatien gewonnen. Und wir sind hier am Ufer des Lac d’Annecy. Mittendrin statt nur dabei.
Auf zur Tour
Gestern, am französischen Nationalfeiertag, gab es schon einen kleinen sportlichen Erfolg, den ich mehr durch Zufall mitbekommen habe. Cassandre Beaugrand, eine einundzwanzigjährige und recht hübsche Französin hat – vor der Deutschen Laura Lindemann – den Sprinttriathlon der Frauen in Hamburg gewonnen. Unabhängig davon habe ich mich heute mit einer langjährigen Freundin auf den Weg nach Frankreich gemacht, um die Alpenetappen der Tour de France zu besuchen. Und wenige Minuten vor dem Endspiel der Fußball-WM kommen wir auf einem Campingplatz am Lac d’Annecy an, wo der Besitzer uns schnell eincheckt, um sich das Spiel anzuschauen. Und auch wir begeben uns direkt zur Strandkneipe, wo während des Spiels und vor allem nach dem Schlusspfiff die Hölle los ist. Es wird gesungen, getanzt, getrunken und gefeiert. Und da wir hier problemlos mitfeiern können, ist das frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft kein Thema mehr, da freuen wir uns lieber für die und mit den Franzosen.
Am nächsten Morgen geht es weiter zum Col de Romme, einem der Pässe der morgigen Etappe. Romme ist ein kleines Bergdorf, das zur Gemeinde Nancy-sur-Cluses gehört, von dessen 450 Einwohnern 80 als Freiwillige irgendwelche Aufgaben erledigen, die mit der Durchfahrt der Tour-Etappe zu tun haben. Man hat einen Zelt- und Parkplatz eingerichtet, es stehen Toiletten und Trinkwasser zur Verfügung, und wir fühlen uns hier sehr willkommen. Meiner Bekannten ging es nach der gestrigen Feierei heute morgen gar nicht gut, aber am frühen Nachmittag, nachdem das Auto geparkt und das Zelt aufgebaut ist, gibt es dann endlich Frühstück.
Die 10. Etappe: Von Annecy nach Le Grand-Bornand
Solange man nicht selber ein Rad dabei hat, gibt es am Vortag einer Tour-Etappe eigentlich nicht so viel zu tun. Wir wandern ein bisschen durch’s Dorf, informieren uns über touristische Aktivitäten in der Gegend (Wandern und Radfahren), und abends wird gegrillt. Danach geht es noch ins Dorfzentrum, wo man für die ganzen Camper und Tour-Touristen ein Fest veranstaltet, mit Live-Musik einer eher zweitklassigen lokalen Band. Ein Höhepunkt ist das Steigenlassen von Dutzenden von Himmelslaternen – für die Kinder ein Fest, für uns zumindest schön anzusehen.
Der Tag der ersten Bergetappe läßt sich auch sehr ruhig an. Mittags kommt ein Frauenrennen über den Berg, danach gönnen wir uns eine Bergwanderung, und am Nachmittag kommt dann erst die Werbekarawane, bevor wir uns für die Durchfahrt der Radprofis eine Stelle etwas unterhalb des Dorfes suchen. Und dann hat es mich wieder, dieses Tour-Fieber, auf das ich jetzt zwei Jahre lang verzichten musste. Ich mache Fotos, feuere an, und genieße es, hier zu sein, am Straßenrand, während die Großen des Radsports sich den Berg hochquälen. Julian Alaphilippe wird heute das Bergtrikot überstreifen, Søren Kragh Andersen das weiße Trikot verlieren, und Peter Sagan das grüne Trikot behalten. Das gelbe Trikot ruht weiterhin auf Greg Van Avermaets Schultern, aber in der Gesamtwertung wird es erst mit den Bergetappen dieser Woche spannend.
Nach der Etappe verabschieden wir uns vom Dorf und von dem netten älteren Herrn, der sich hier als Parkplatzordner verdingt hat und ein paar Brocken Deutsch spricht. Weiter geht’s zur Montée de Bisanne, wo wir erst im Dunkeln ankommen werden. Nach Romme kehren wir sicher gerne irgendwann mal zum Wandern oder Radfahren zurück, der Ort hat die Bergankunft und die daraus resultierenden Touristenströme sehr gut organisiert und gut Werbung für sich und seine Tourismus-Möglichkeiten gemacht.