Bei Brasilien denken die meisten vor allem an Rio de Janeiro, Amazonas, Favelas, oder Fussball. Zumindest mit ersterem hat dieser Post zu tun, denn die Ilha Grande liegt nicht nur im brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro, sondern die gleichnamige Stadt bietet auch das optimale Zwischenziel, um auf diese Insel zu kommen.
Endlich auf Tour
Nachdem ich in einem früheren Post lamentiert hatte, dass man wohl nur dann etwas wirklich in die Tat umsetzt, wenn man es vorher unwiderruflich geplant hat, habe ich vor ein paar Wochen kurzerhand einen Flug nach Rio de Janeiro gebucht, um die Ilha Grande zu besuchen. Nachdem ich dort bereits 2011 mal für ein paar Tage war, hielt sich über die Jahre die Idee, die Insel auf Wanderwegen zu umrunden. Und da ich aufgrund der Formalitäten mit den chilenischen Behörden im Moment eher nur kurz das Land verlassen will, dachte ich mir, es sei ein guter Moment.
Am Flughafen, nach Einchecken und Passkontrolle, habe ich dann eine gute Stunde Zeit, und hier wird mir klar: Jetzt geht eigentlich das Leben los, das ich seit meinem Abschied von APEX wollte. Reisen, Erfahrungen sammeln, Menschen und Länder kennenlernen – endlich bin ich mal unterwegs, um die hochtrabenden Erwartungen, die ich an mich selber habe, zu erfüllen. Das Gefühl, endlich auf Tour zu sein, und letztendlich auch diesem Blog seine Existenzberechtigung zu verschaffen, erfüllt mich mit innerer Ruhe und Zufriedenheit. Und die logistischen Stolpersteine auf dieser Reise scheinen mir eher klein, denn einerseits kenne ich Rio und die Ilha Grande schon ein bisschen, und andererseits habe ich in den letzten Monaten auch ausgiebig an meinen Portugiesisch-Kenntnissen gearbeitet.
Nach meiner Ankunft in Rio geht es am nächsten Morgen direkt weiter Richtung Ilha Grande. Das Frühstück im Hotel Argentina in Rios Stadtteil Flamengo macht es mir allerdings schwer. Hier haben sie im Buffet wirklich alles! Ich entscheide mich für eine gesunde Variante (viel Obst und nichts von dem gebratenen Schinken oder den Würstchen) und mache mich dann mit Metro und VLT (einer neuen Straßenbahn – hier hat man für die olympischen Spiele wirklich einiges investiert) auf zum Busbahnhof, wo ich dann auch ein Ticket für den übernächsten Bus Richtung Angra dos Reis erstehe. In Conceição de Jacareí steige ich aus und nehme – zusammen mit etwa 20 weiteren Fahrgästen – ein Boot nach Abraão auf der Ilha Grande.
Mein Hostal trägt den vielversprechenden Namen Jungle Lodge, und es befindet sich tatsächlich mitten im Dschungel, etwa einen halbstündigen Fußmarsch von Abraão entfernt. Es ist zwar ein bisschen unbequem, nach dem Abendessen im Dorf immer mit Taschenlampe durch den Wald bergauf zu stiefeln, aber das war mir durchaus bewusst. Im Gegenzug hat man nachts die Geräusche des Dschungels und tagsüber eine klasse Aussicht auf die Bucht von Abraão. Das Hostal hat allerdings, neben dem nötigen Fußmarsch, noch ein paar weitere Schwächen. Dazu aber mehr im nächsten Post.
Sonne, Strand, Caipirinhas
Die ersten beiden Tage verlaufen bei herrlichstem Wetter perfekt. Eigentlich mache ich an diesen beiden Tagen genau dasselbe wie 2011, aber entspannter und bei besserem Wetter. Auf der ersten Wanderung zum Strand Lopes Mendes treffe ich Romina, eine Argentinierin, die gestern auf demselben Boot war, und nun zusammen mit Federico und Belén (ebenfalls aus Argentinien) dasselbe Ziel hat. Wir kommen ins Gespräch, und so wird nicht nur die Wanderung recht kurzweilig, sondern wir verbringen auch den Großteil des Nachmittages gemeinsam am Strand. Sonnenbaden, hin und wieder Abkühlen im Atlantik, dazwischen interessante Gespräche, was will man mehr? Gegen 16 Uhr packen wir unsere Sachen, und während die drei vom auf dem Weg liegenden Strand Pouso ein Boot zurück nach Abraão nehmen, wandere ich die gesamte Strecke und komme kurz nach Einbruch der Dunkelheit zurück zu meinem Hostal. Wohlwissend hatte ich morgens auch eine Taschenlampe eingepackt…
Abends um neun treffe ich mich mit den Argentiniern zum Abendessen, und anschließend ziehen wir noch gemeinsam ein bisschen durchs Dorf. Der gestrige Donnerstag war hier Feiertag (Corpus Christi, auf deutsch Fronleichnam), hier ist gut was los, und dieses lange Wochenende findet auch noch das „Ilha Grande Jazz & Blues Festival“ statt. Letzteres ist mitunter auch rockig und daher gar nicht mal schlecht, aber am Festival selber gibt es keine Caipirinhas. Daher nehmen wir den brasilianischen Nationalcocktail in einer Kneipe zu uns, wo wir auf drei Brasilianerinnen treffen, die Romina am Vortag kennengelernt hat. Die drei sprechen allerdings ein dermaßen schwer verständliches Portugiesisch, dass die Unterhaltung zwischen den beiden Gruppen relativ einsilbig verläuft.
Um ein Uhr morgens lassen wir dann den Abend ausklingen. Wir verabschieden uns, und ich trete den Weg durch den Urwald zu meinem Hostal an.
Der Berg ruft
Am nächsten Morgen stehe ich zeitig auf, um den Pico do Papagaio, zweithöchster Berg der Insel und durch einen Wanderpfad erschlossen, zu besteigen. Dieser Pfad hat es in sich: Heftige Steigungen, Baumwurzeln, und zugewachsene oder durch umgestürzte Bäume versperrte Passagen lassen die Wanderung zu einer kleinen Expedition werden. Einmal laufe ich falsch, meine Knie machen mir deutlich, dass ich nicht mehr so jung bin wie vor sieben Jahren, als ich das erste Mal hier war, und als ich am Gipfel ankomme, bin ich nassgeschwitzt und habe verdreckte Beine. Aber die Aussicht von oben bei herrlichstem Sonnenschein entschädigt für alles! Das Blau des Ozeans verbindet sich in der Ferne mit dem Blau des Himmels, und im Vordergrund hat man je nach Blickrichtung die brasilianische Festlandküste, Abraão, die Praia Lopes Mendes, oder die benachbarten Inselchen. Dazu eine unbeschreibliche Ruhe, man mag gar nicht mehr absteigen von hier. Zwei weitere Personen tauchen auf dem Gipfel auf während ich oben bin; mit beiden unterhalte ich mich kurz, aber im Vordergrund stehen der Genuss des Augenblicks, die Aussicht, und die Ruhe hier oben.
Irgendwann steige ich aber auch wieder ab, und mein für den Rückweg angedachter Besuch des Strandes Abraãozinho fällt wortwörtlich ins Wasser, da mittlerweile Flut ist und ich nicht in Sandalen, sondern Wanderschuhen unterwegs bin. Was soll’s, ich begebe mich also direkt ins Hostal, dusche, ordne meine Klamotten, und begebe mich abends nochmal hinunter ins Dorf zum Abendessen und einen Kurzbesuch auf dem Festival. Der Abend wird allerdings deutlich kürzer als gestern, und so gegen zehn geht es Richtung Koje. Für den nächsten Tag habe ich den Beginn meiner Inselrundwanderung geplant, da muss man nicht die Nacht zum Tag machen. Die Musik des Festivals schallt aber dennoch gut über die Bucht bis hoch zum Hostal, da habe ich die nächsten Stunden auch noch ein wenig Unterhaltung.