Ich glaube, dass ich radsportbegeistert bin, sollte mittlerweile bekannt sein. Auch 2018 findet wieder Ende April ein dreitägiges Mountainbike-Rennen in San Pedro de Atacama statt. Dieses Jahr nehme ich zwar nicht teil (aus unterschiedlichen Gründen), was mich aber nicht davon abhält, fünf Wochen vorher meine Freundin zu einem Trainingswochenende in der Atacama-Wüste zu begleiten.
Drei Tage Radeln in der Wüste
Also verbringen wir auch dieses Jahr wieder – wie schon 2017 und 2016 – mehrere Wochen vor dem Rennen ein langes Wochenende in San Pedro de Atacama, diesem mittlerweile (leider) ziemlich touristischen Wüstenkaff in Nordchile. Von Freitag bis Sonntag wollen wir auf dem Rad unterwegs sein. Um ein wenig stressfreier zu reisen, mieten wir uns dieses Mal allerdings die Fahrräder. Das ist nicht unbedingt die perfekte Lösung, wenn man sein eigenes (Wettkampf-)Rad gewohnt ist, aber durchaus akzeptabel. Für umgerechnet knapp 60 Euro erhalten wir nicht nur zwei brauchbare Trek-Räder für knapp drei Tage, sondern auch Helme, Schloß, Lampen, Reparaturkit etc. Also praktisch all inclusive, wenn wir auch unsere eigenen Helme dabei haben und deren Benutzung auch vorziehen.
Auf Privatbesitz
Am Freitag nachmittag geht es erstmal eine ordentliche Steigung hoch Richtung Calama, wobei wir das „Tal des Todes“ (Valle de la Muerte) rechts liegen lassen und nach etwa zehn Kilometern einen Abzweig nehmen, der uns auf einen Grat führt. Und siehe da: Hier haben die Eingeborenen (sprich: die ortsansässige indigene Bevölkerung) ein Schild aufgestellt, dass man Privatbesitz betreten würde und folglich nicht weiter darf. Klar: Sie wollen die Touristen auf den Hauptwegen halten, um dort Eintritt zu den landschaftlichen Höhepunkten zu kassieren. Mal abgesehen davon, dass man hier letztes Jahr noch problemlos weiter konnte, erfahren wir auch in den folgenden Tagen durch Unterhaltungen mit verschiedenen Personen, dass die Eintrittsgelder im Normalfall nur einigen wenigen Familien der indigenen Bevölkerung zugute kommen. Ich ärgere mich einen Moment, bevor wir entscheiden, das Schild zu ignorieren und auf unserer geplanten Route weiter zu fahren.
Von erwähntem Grat hat man herrliche Aussichten auf das Tal des Todes von oben, sowie in das Valle de Katarpe, das durch seine Vegetation eine Oase in dieser Wüstenlandschaft darstellt. Nach einer nicht ganz ungefährlichen Abfahrt sowie der Fahrt durch diverse ausgetrocknete Bachbetten, fernab jeglicher Zivilisation, gelangen wir nach ein paar Stunden an den Rio San Pedro, den es zu durchqueren gilt. Da wir es heute nicht eilig haben (das Rennen ist ja erst in fünf Wochen), nehmen wir uns Zeit: Schuhe aus, barfuß durchwaten, Schuhe an!
Entlang der Erdgasleitung
Danach geht es auf einer Straße weiter, die entlang einer Erdgasleitung (auf spanisch „Gasoducto“) verläuft. Dieser Gasoducto treibt den Mountainbikern der Gegend schon beim Hören den Angstschweiß auf die Stirn, denn Gasleitungen werden – ähnlich wie Stromleitungen in Mitteleuropa – in relativ gerader Linie quer durchs Land verlegt, und wenn es dann mal bergauf geht, führt die Straße, die ja zur Wartung der Leitung angelegt wurde, in genau so gerader Linie bergauf. Serpentinen? Fehlanzeige. Das wirkt sich natürlich auf die vorhandenen Steigungsprozente aus… Aber was soll’s, wir wollen ja trainieren, und so geht es heftig hoch und runter, bevor wir nach einem langen Tag etwa gegen Sonnenuntergang an die Hauptstraße gelangen, die uns zurück nach San Pedro führt.
Durch die Ebene der Geduld
Am zweiten Tag machen wir uns auf zur Durchquerung der „Ebene der Geduld“ (Llano de Paciencia), die ihren Namen nicht von ungefähr trägt. Zunächst rollt man bergab, bevor das Gefälle unmerklich geringer wird und nach dem Passieren des tiefsten Punktes durch einen ebenso unmerklich steiler werdenden Anstieg ersetzt wird. Auf der Hälfte des Anstieges verlassen wir die Straße Richtung Norden, mit dem Ziel, diese Ebene im Uhrzeigersinn quasi zu umrunden. Hierbei folgen wir im weiteren Verlauf jener bereits erwähnten Gasleitung, bis wir an einen historischen Aussichtspunkt gelangen, hinter dem durch Erosion nicht nur die Gasleitung freigelegt wurde, sondern auch von der – onehin zu steilen – Straße nicht mehr viel übrig ist. Nee, da können wir beim besten Willen nicht runter. Also geht es ab hier querfeldein, bis wir wieder auf die trockenen Bachbetten von gestern stoßen, die wir aber heute durch einen alten Tunnel verlassen, der uns ins Tal von Katarpe und von dort nach San Pedro führt. Ich kenne all diese Routen von meiner Zeit, in der ich in San Pedro gearbeitet habe und mitunter an freien Nachmittagen mit dem Rad unterwegs war. Auf der Rückfahrt nach San Pedro kommen wir an einem Kontrollpunkt vorbei, an dem wir Eintritt hätten zahlen müssen, wären wir die Tour in umgekehrter Richtung gefahren. Meine Meinung dazu findet ihr weiter oben.
Laguna de Tebenquiche
Für den Sonntag haben wir uns eine an Kilometern längere, aber dafür flache Strecke ausgesucht: Nach Süden in den Salar de Atacama, bis zur Laguna Tebenquiche (ein Salzsee) und zu den Ojos del Salar (zwei runden Bohrlöcher mit Süßwasser, ideal zum Schwimmen). Auch der Besuch dieser Lagune war vor ein paar Jahren noch gratis, jetzt bezahlt man 2.000 Pesos. Als Fahrradfahrer kostet es aber nur die Hälfte, was man wohl macht, um die umweltfreundliche Anfahrt zu honorieren. Darüberhinaus werden die Gelder hier erkennbar in den Schutz des Ökosystems investiert, so dass der bezahlte Eintritt wenigstens einen Sinn macht. Wir wandern und fahren ein bisschen an der Lagune entlang, wobei wir zwei Flamingos erspähen, womit man im März, wenn hier alles ziemlich ausgetrocknet ist, nicht unbedingt rechnet. Das Weiß der Salzkruste bildet einen scharfen Kontrast mit den übrigen Farben der Landschaft, und aufgrund der Einsamkeit hört man nur den Wind. Herrlich.
Abkühlung beim Schwimmen
Die meisten Touristen baden in der Laguna Cejar, deren hoher Salzgehalt (vergleichbar mit dem Toten Meer) dazu führt, dass man wie ein Floß auf dem Wasser liegt. Die Ojos del Salar dagegen sind mit Süßwasser gefüllt, und eines dieser beiden kreisrunden Löcher lädt zum Schwimmen ein. Das lassen wir uns auf dem Rückweg nicht nehmen. Auch hier ist glücklicherweise wenig los, nur ein Wohnmobil mit einer jungen Familie ist anwesend. So können wir uns eine Weile erfrischen, bevor wir die Rückfahrt antreten.